In einem fünfzigjährigen Berufsleben ein neues Werk zu beginnen und darin in weiteren fast drei Jahrzehnten die Geschichte Rexingens zu erforschen und zu dokumentieren, ist das bleibende Vermächtnis von Adolf Sayer über seinen Tod hinaus. Am 30. November 2015 verlor Rexingen seinen Ortschronist Adolf Sayer - er verstarb im Alter von 96 Jahren.SayerAdolf

In beispielloser Heimatliebe blieb er seinem Geburtsort treu, den er mit 14 Jahren verließ. Zu Reichs-Arbeits-Dienst und Wehrmacht eingezogen, studierte er nach dem Krieg Textilingenieur-Wissenschaft an der Ingenieurschule Reutlingen. Ein Praktikum führte ihn zu einem Kunden nach Bocholt, worauf er sein ganzes Berufsleben in Nordrhein-Westfalen verbrachte.

In den Jahren seiner Tätigkeit als Betriebsleiter in Bocholt (Westfalen), Steinfurt und Gronau verbrachte er mit seiner Familie die Ferien wiederholt am Ort seiner Kindheit. Doch kaum im Ruhestand kehrte er ganz zurück und baute sich mit seiner Frau einen neuen Lebensmittelpunkt auf. So wurde das Archiv unter dem Dach des Rexinger Rathauses seine neue Wirkungsstätte. Zusammen mit seinem Jugendfreund, Bürgermeister Gebhard Gekle, der allerdings bereits 1982 gestorben war, hatte sich Adolf Sayer vorgenommen, die Akten zu ordnen und die Historie Rexingens zu sichten. In unermüdlicher Arbeit sichtete er die Dokumente, die bis ins Jahr 1439 zurückreichten, las sich in Grundbücher, hebräisch verfasste Heiratsverträge oder Gerichtsordnungen der Johanniter ein. Manches Kuriose förderte er zutage, was das Leben in Rexingen über 600 Jahre bunt und anschaulich machte und veröffentlichte darüber diverse kleine Aufsätze.

InSteingehauenIn seinen Nachforschungen machte Adolf Sayer nicht an den Aktendeckeln Halt, sondern verfolgte die Spuren der aus Rexingen ausgewanderten jüdischen Familien, was seinen Bekanntheitsgrad auch weltweit verbreitete. Vor 20 Jahren begann er den jüdischen Friedhof zu dokumentieren und setzte seine Mitarbeiter ständig in Erstaunen, dass er zu jedem Grabstein mit einem Hintergrundwissen aufwarten konnte. Viele Familien kannte er noch persönlich und half auch bei Anfragen weiter. Am vollendeten Friedhofsbuch "In Stein gehauen", das in Zusammenarbeit mit dem Verein "Ehemalige Synagoge Rexingen e. V." unter der Leitung von Fr. Dr. Renate Adler, Stadtarchiv Horb, entstand, hatte er einen maßgeblichen Anteil. Dieses Buch erreichte eine große Beachtung und ist bei zahllosen Familien in Israel und den USA verbreitet. Seine jüdische Familienforschungsarbeit bildete zwischenzeitlich die Grundlage für eine jüdische Datenbank für Baden-Württemberg, die von der Heimat- und Familienforscherin Andrea Dettling für den Gedenkstättenverbund Gäu-Neckar-Alb aufgebaut wurde.

BurgruinenNeckarknieNoch 2010 hatte Adolf Sayer mit dem Kultur- und Museumsverein Horb für das Buch "Burgruinen am Neckarknie bei Horb" das 20 seitige Kapitel zum Rexinger Johanniterschloss (Skizzen und Szenen aus 500 Jahren Ordens- und Ortsgeschichte) geschrieben. In Zusammenarbeit mit Dr. Dieter Hellstern verfasste er im gleichen Jahr einen Kirchenführer für die Katholische Pfarrkirche St. Johannes Baptist in Rexingen und dokumentierte damit die ortsprägenden Gebäude im Zentrum Rexingens.

Sayeri m Archiv  Foto KuballAls es seine Gesundheit nicht mehr zu ließ, die vielen Stufen ins Ortsarchiv im Rexinger Rathaus hoch zu steigen, unterstützte er die Initiative von Andrea Dettling, die Heimatforschung weiter zu führen und die Geschichte Rexingens in einem Heimatbuch zu veröffentlichen. Basierend auf seinen Vorarbeiten führt sie seither die Recherchen im Ortsarchiv in seinem Sinne weiter. Adolf Sayers Aufsätze und Veröffentlichungen sind wertvolle Beiträge zur Rexinger Heimatgeschichte und werden in dem geplanten Heimatbuch an vielen Stellen einfließen.

Wer mit ihm zusammen arbeitete, schätzte seine vornehme zurückhaltende Art und sein unvergessliches Wissen um seinen Heimatort. Als "Glücksfall" für Rexingen bezeichnet, erfuhr er die Wertschätzung zu seinem 90. Geburtstag mit einem Festvortrag von Carsten Kohlmann und der silberen Ehrennadel der Stadt Horb. Die letzten Jahre verbrachte er im Altenpflegeheim Bischof Sproll in Horb, wo ihn Freunde und Familie umsorgten. Seine Frau und sein Sohn Michael sind ihm im Tode voraus gegangen und ruhen nun gemeinsam mit ihm auf dem Rexinger Friedhof.

Wir haben ihn als liebenswerten Mensch und gewissenhaften Forscher sehr geschätzt und werden ihm ein ehrenvolles Andenken in Rexingen bewahren.

(Quelle: Nachruf Birgit Sayer, SWP 04.12.2015 Greiss)